Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt in Deutschland immer mehr zu. Somit wird der natürliche Lebensraum für Pflanzen und Tiere immer kleiner und die Siedlungsökologie, also eine ökologisch verträgliche Gestaltung innerhalb des Siedlungsraumes, erlangt stärkere Bedeutung.

Was ist Siedlungsökologie?

Die Siedlungsökologie befasst sich mit den interdisziplinären Wechselwirkungen zwischen den anthropogenen (menschlichen) Siedlungen und deren Umwelt.

Untersucht wird dabei, wie bebaute Gebiete, vor allem Städte, die natürliche Umwelt beeinflussen und welche Umwelteinwirkungen für das Leben der Menschen in den Siedlungsräumen relevant sind.

Dabei werden insbesondere klimatische Faktoren, die städtische Flora und Fauna sowie die Quantität und Qualität urbaner Freiräume betrachtet. Das Ziel dahinter ist die Schaffung lebenswerter Räume für Mensch und Natur im Einklang.

Siedlungsökologie
Die Siedlungsökologie befasst sich mit den interdisziplinären Wechselwirkungen zwischen den anthropogenen (menschlichen) Siedlungen und deren Umwelt – Bild: © Sinuswelle #500610131 – stock.adobe.com

Historische Entwicklung der Siedlungsökologie

Die Siedlungsökologie ist ebenso wie die Stadtklimaforschung ein noch recht junges Themenfeld. Verwurzelt sind allerdings beide schon in frühen Zeiten menschlicher Siedlungen. Bereits im Zeitraum erster menschlicher Sesshaftigkeit fand eine gewisse Beschäftigung der Menschen mit der Umwelt in ihrer Siedlung statt. Damals war es nämlich überlebenswichtig, Siedlungen in fruchtbaren Gebieten zu errichten und in ständigen Wechselbeziehungen zur lokalen Umwelt zu leben.

Im antiken Rom begannen die Menschen, sich mit den Zusammenhängen ihrer Aktivitäten auf die Umwelt im Siedlungsraum zu beschäftigen. Insbesondere die Luftqualität und das Klima standen dabei im Vordergrund. Mit dem Wachstum der Städte im Mittelalter entstanden in den Siedlungen durch zunehmende Bevölkerung ökologische Brennpunkte und die vermehrte Ausbreitung von Krankheiten. Als Reaktion auf wachsende Umweltprobleme im Zuge der industriellen Revolution entstand die eigentliche Siedlungsökologie mit dem Ziel, nachhaltige Lösungen für die Stadtentwicklung zu finden.

Mittlerweile ist die Siedlungsökologie ein anerkanntes Forschungsfeld und gewinnt mit Zunahme der klimawandelbedingten Folgen immer mehr an Bedeutung. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Städten, Behörden, Planern und dem Gesetzgeber ermöglicht eine positive Weiterentwicklung der Siedlungsökologie.

Entwicklung der Siedlungsökologie
Die Siedlungsökologie ist ebenso wie die Stadtklimaforschung ein noch recht junges Themenfeld – Bild: © leesle #426376340 – stock.adobe.com

Grundprinzipien der Siedlungsökologie – Klimaschutz und Klimaanpassung

Zwei Grundprinzipien der Siedlungsökologie stellen Klimaschutz und Klimaanpassung als Reaktion und Prävention auf den Klimawandel dar. Die Veränderung des Klimas stellt für unsere Städte die aktuell größte Bedrohung seit langer Zeit dar. Durch die zunehmenden Temperaturen im Sommer bilden sich in den hochversiegelten Räumen starke Hitzeinseln. Auch in der Nacht werden die Städte kaum in der Lage sein, sich abzukühlen, da die Gebäude und der versiegelte Boden die Wärme über Tag speichern und in der Nacht langsam wieder an die Umgebungsluft abgeben. Dies stellt eine besondere gesundheitliche Gefahr für die Bewohner der Stadt und explizit für die vulnerablen Gruppen (z.B. ältere und vorerkrankte Menschen) dar. Starkregenereignisse, schlechte Luftqualitäten und invasive Arten sind nur einige der wenigen zu erwartenden Probleme des Klimawandels.

Der Klimaschutz zielt nun vermehrt auf die Vermeidung des Eintreffens von Klimawandelfolgen durch präventive Schutzmaßnahmen ab.

Vorrangig beziehen sich diese dann auf die Minderung der Treibhausgasemissionen, beispielsweise durch den Einsatz erneuerbarer Energien oder die Förderung des Fuß- und Radverkehrs in den Siedlungsräumen.

Bei der Klimaanpassung liegt der Fokus auf der Abminderung der nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels und einer bestmögliche Anpassung des Siedlungsraumes an die neuen klimatischen Gegebenheiten. Negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bevölkerung sollen so weit wie möglich vermieden werden. Als geeignete Maßnahmen stellen sich hier beispielsweise die zusätzliche Bepflanzung öffentlicher Räume für mehr Verschattung oder auch das Aufstellen von Trinkwasserspendern heraus.

Wichtig ist, dass im Rahmen der Siedlungsökologie Klimaschutz und Klimaanpassung immer gemeinsam gedacht werden. Einige Folgen des Klimawandels können bereits heute nicht mehr abgewendet werden, daher muss ein adäquater Umgang mit ihnen gefunden werden. Das Verstärken des präventiven Klimaschutzes ist aber weiterhin enorm wichtig, um weiteren klimatischen Problemen vorzubeugen.

Grundprinzipien der Siedlungsökologie
Zwei Grundprinzipien der Siedlungsökologie stellen Klimaschutz und Klimaanpassung als Reaktion und Prävention auf den Klimawandel dar – Bild: © wlad074 #868468881 – stock.adobe.com

Siedlungsökologie in der Praxis

Mittlerweile sind in räumlichen und städtischen Planungen eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen integriert, welche die siedlungsökologische Situation in den Räumen verbessern sollen.

Insbesondere bei Neuplanungen wird darauf geachtet, Klimaschutz und Klimaanpassung auf unterschiedlichen Wegen zu integrieren.

Im Bestand stellen solche Anpassungsplanungen eine größere Herausforderung dar. Dies liegt vor allem daran, dass die meisten Gebäude und Grundstücke Privateigentum sind und demnach viel Kommunikationsarbeit seitens der Stadt und der Planer geleistet werden muss, um die Eigentümer von neuen Konzepten zu begeistern.

Grüne Infrastruktur

Die sogenannte grüne Infrastruktur ist ein umfassend und strategisch geplanter Zusammenhang vieler verschiedener Naturflächen innerhalb eines Siedlungsraumes. Charakteristisch ist dabei, dass die Flächen so gut es geht miteinander verbunden sind. Zur grünen Infrastruktur zählen alle natürlichen oder naturnahen Flächen, wie beispielsweise Parkanlagen, Spielplätze, Straßenbegleitgrün, Grün und Bepflanzungen am Bau sowie auch städtischer Wald und Gartenanlagen. Gut und gleichmäßig im Siedlungsraum verteilt, leistet die grüne Infrastruktur einen besonderen Beitrag zur Stabilisierung des Mikroklimas und mindert die Bildung lokaler Hitzeinseln, da die Grünflächen einen Kühlungseffekt auf die Umgebungstemperatur haben können.
Bei freien Grünflächen, die nicht von dichten Baumkronen überdacht sind, findet in der Nacht das „urban park breeze“ statt. Die Grünfläche produziert in der Nacht Kaltluft, welche sich dann in den Siedlungsraum ausbreitet und einen Luftaustausch bewirken kann. Untersuchungen haben ergeben, dass eine innerstädtische Grünfläche je nach Größe ein Gebiet von mehreren hundert Metern mit kalter Luft versorgen kann, sofern keine Hindernisse in die Kaltluftschneisen gebaut sind. So zeigt sich, dass eine gute Verteilung und Vernetzung innerstädtischer Grünflächen enorm zu einer Verbesserung des lokalen Mikroklimas am Tag und in der Nacht beitragen.

Grüne Infrastruktur in der Siedlungsökologie
Die sogenannte grüne Infrastruktur ist ein umfassend und strategisch geplanter Zusammenhang vieler verschiedener Naturflächen innerhalb eines Siedlungsraumes – Bild: © Annemotion #862493033 – stock.adobe.com

Blaue Infrastruktur

Blaue Infrastruktur bezieht sich auf Gewässer und Wasserflächen im Siedlungsraum. Genau wie die grüne Infrastruktur, haben auch Wasserflächen ein hohes Potenzial zur mikroklimatischen Verbesserung im Stadtraum. Wasser besitzt physikalische Eigenschaften, die dafür sorgen, dass sich Wasserfläche, je nach Wassertiefe, wenig erwärmen.
So wirken die kühlen Flächen dann direkt temperatursenkend auf die wärmere Umgebung. Zudem tragen Wasserflächen zur Regulierung des Wasserhaushaltes bei, indem Regenwasser gespeichert oder zurückgehalten wird. Neben den klimatischen Aspekten haben innerstädtische Wasserflächen ebenfalls einen hohen ästhetischen und sozialen Wert. Im Sommer werden sie gerne von den Bewohnern aufgesucht, es entstehen Orte des Treffpunktes und der Kommunikation untereinander.

Nachhaltiges Bauen

Auch die Gebäude selbst tragen ihren Anteil zu einer ökologischen Stadt bei. Besonders im Fokus stehen hierbei nachhaltige und energieeffiziente Bauweisen mit hoher Wärmedämmung sowie leistungsfähigen Fenstern, um den Energiebedarf für Heizung und Klimatisierung zu mindern. Solaranlagen auf den Dächern ermöglichen die eigene Produktion von sauberer Energie, während die Fassade begrünt werden kann.

Die Luftschicht zwischen Fassadenbegrünung und Hauswand schützt effektiv vor direkter Sonneneinstrahlung und reduziert die Erwärmung des Gebäudes.

Ein heller Anstrich der Fassade sorgt dafür, dass mehr Sonnenlicht reflektiert statt absorbiert wird und sich dadurch das Gebäude wesentlich langsamer erwärmt. Zudem gibt es bereits Fassadenfarben, die sogenannten „Cool Colors“, die Infrarotlicht besonders gut reflektieren und sich die Hauswand so wesentlich weniger erwärmt.

Biodiversitätsförderung

Die Förderung der Biodiversität ist ein zentraler Aspekt der Siedlungsökologie mit dem Ziel, die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten auch in Siedlungsräumen zu erhalten und zu fördern. Biodiversität trägt nicht nur zur ökologischen Stabilität bei, sondern verbessert auch die Lebensqualität der Menschen durch ästhetische, gesundheitliche und ökologische Vorteile.

Durch miteinander verbundene städtische Grünflächen werden Tiere und Pflanzen vernetzte Lebensräume und Wanderungskorridore ermöglicht. Besonders für größere Säugetiere und wandernde Arten sind solche Korridore enorm wichtig. Auch das Anlegen von Blühstreifen und Wildblumenwiesen fördert die Biodiversität und schafft Nahrung für Bestäuber wie Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten. Die Verwendung klimawandelrobuster Pflanzenarten sorgt dafür, dass die Grünflächen auch bei zunehmenden Temperaturen, Dürren oder extremen Wetterereignissen überleben und weiterhin Bestand haben.


Autorin: Carina Pfeil