Grüne Infrastruktur
Die grüne Infrastruktur wird im Zuge des Klimawandels, der zunehmenden Flächenversiegelung und dem Verlust von Lebens- und Naturräumen immer wichtiger. Für gesunde Ökosysteme, saubere Luft und Artenvielfalt sowohl im Tier- als auch im Pflanzenreich werden ausreichend zusammenhängende Lebensräume und Grünflächen benötigt. Dafür soll die grüne Infrastruktur sorgen, ein zukunftsweisender Ansatz, Städte als auch ländliche Räume aufzuwerten und widerstandsfähiger zu machen.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet grüne Infrastruktur?
Grüne Infrastruktur beschreibt ein zusammenhängendes Netzwerk, bestehend aus Naturflächen und naturnahen Flächen. Wie bei einer Straßeninfrastruktur auch, sollen die Flächen miteinander verbunden sein, um den Biotopverbund wiederherzustellen und zu stärken und Wanderungskorridore für verschiedene Tierarten zu schaffen. Meist haben die Flächen unterschiedliche Aufgaben im Kontext der Ökosystemdienstleistungen und sollen im Zusammenhang betrachtet das gesamte Spektrum eines Ökosystems abdecken. Das Besondere an der grünen Infrastruktur ist, dass sie nicht aus Wildwuchs oder brachliegenden, sich selbst überlassenen Flächen besteht, sondern über eine große Spannweite, oft in Kooperation mehrerer Städte, Regionen und Länder geplant und angelegt wird.
Hinter den Flächen steht also eine Strategie, die auf Ausarbeitungen von Experten im Bereich Ökologie, Naturschutz oder Raumplanung basiert.
Dabei soll die grüne Infrastruktur viele verschiedene Funktionen erfüllen, die auch weit über den rein ökologischen Aspekt hinausgehen. Dieser ist und bleibt aber natürlich das Hauptaugenmerk und das Zentrum der grünen Infrastruktur. Mit ihr sollen Lebensräume geschaffen oder wiederhergestellt werden, zerschnittene Lebensräume wieder verbunden und neue Artenvielfalten ermöglicht werden. Gleichzeitig sorgt die grüne Infrastruktur für klimaaktive Räume. Die zusammenhängenden Grünflächen sind ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen, denn sie beeinflussen mit ihren verschattenden (bei Baumbestand) und kühlenden Eigenschaften das lokale Mikroklima positiv. In oder nahe an Siedlungsräumen und Städten gelegen, können die Grünflächen sogar bei der Problematik der urbanen Hitzeinseln helfen. Die kalte Luft, die von ihnen aufsteigt, zieht (sofern die Kaltluftschneisen nicht zugebaut sind) in den Siedlungsraum und kühlt dort die aufgeheizte Luft ab. Fernen dienen die Grünflächen als Retensionsbereiche bei Starkregenereignissen. Der unversiegelte Boden nimmt das Regenwasser auf und es kann versickern, während es auf asphaltierten Flächen in die Kanalisation abläuft oder in Pfützen stehen bleibt und Überschwemmungen verursachen kann. Zudem trägt das versickernde Wasser zur Grundwasserneubildung bei, was besonders in heißen und trockenen Sommern enorm wichtig ist.
Auch soziale Funktionen werden mit der grünen Infrastruktur erfüllt, denn die Flächen dienen nicht nur als ökologische und klimaaktive Orte, sondern auch als Orte der Erholung, der Begegnung und des sozialen Austauschs für alle Menschen. In diesem Kontext werden Grünflächen besonders im urbanen Raum immer wichtiger. Sie fördern dank der Bewegungs- und Sportmöglichkeiten die körperliche Gesundheit und mit ihrem Erholungs-, Ruhe- und Freizeitwert das mentale Wohlbefinden der Menschen vor Ort. Zudem wird die Beziehung zur Natur und das Wissen über Pflanzen und Tiere gestärkt und die Naturverbundenheit gefördert. Durch die Kombination ökologischer und sozialer Vorteile wird grüne Infrastruktur zunehmend als Schlüsselstrategie zur Anpassung an den Klimawandel angesehen. Sie bietet nicht nur Lösungen für Umweltherausforderungen, sondern trägt auch zur Verbesserung der Lebensqualität in urbanen und ländlichen Gebieten bei.
Beispiele für grüne Infrastruktur in Städten
Besonders urbane Räume bestehen mehr aus Grau- als aus Grüntönen. Beton, Häuser und Straßen so weit das Auge reicht, hin und wieder findet sich ein mehr oder weniger großer Park oder einzelne Bäume als Straßenbegleitgrün.
Um widerstandsfähig gegenüber dem Klimawandel zu sein und die Biodiversität zu fördern, werden allerdings mehr und zusammenhängendere Maßnahmen im Bereich der grünen Infrastruktur benötigt.
Stadtparks und urbane Grünflächen
Stadtparks gehören zu den bekanntesten Formen grüner Infrastruktur. Sie bieten Erholungsräume, verbessern die Luftqualität und sorgen für ein besseres lokales Mikroklima. Durch ihre oft vielfältigen Vegetationen von Bäumen über Sträucher und Blumen bis hin zu Rasenflächen bieten sie vielfältige kleine Lebensräume für viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Größere Parks, wie der Central Park in New York oder der Tiergarten in Berlin, fungieren zudem als „grüne Lungen“ der Stadt.
Aber auch kleinere Grünflächen, wie innerstädtische Plätze oder Gemeinschaftsgärten, leisten einen wichtigen Beitrag, indem sie das Klima verbessern, Regenwasser aufnehmen, Lebensräume bieten und die Stadt ästhetisch aufwerten. Zudem sorgen kleine, in der Stadt verteilte Grünflächen für eine fußläufige Erreichbarkeit dieser. Es ist wichtig, allen Menschen Zugang zu grünen Freiflächen zu bieten, auch wenn diese nicht mobil sind oder weit laufen können.
Dach- und Fassadenbegrünung
Begrünte Dächer und Fassaden sind ein wachsender Trend in der grünen Stadtentwicklung. Diese Flächen nutzen ungenutzten Raum, um Vegetation in dicht besiedelte Stadtgebiete zu bringen. Gründächer bieten viele Vorteile: Sie helfen, die städtische Hitzeinsel-Effekte zu reduzieren, speichern Regenwasser und entlasten die Kanalisation. Zudem wirken sie isolierend auf Gebäude, was den Energiebedarf merklich senkt.
Begrünte Fassaden bieten zusätzlichen Platz für Pflanzen in städtischen Gebieten, verbessern die Luftqualität und tragen zur Lärmminderung bei. Durch die Luftschicht zwischen den Pflanzen und der Gebäudehüllen sowie der Verdunstungskälte der Pflanzen hat die Fassadenbegrünung zudem einen kühlenden Effekt auf das Gebäude und vermindert das Aufheizen.
Gemeinschaftsgärten und urbanes Gärtnern
Urbanes Gärtnern und Gemeinschaftsgärten erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, da sie über die allgemeinen ökologischen und sozialen Vorteile einer Grünfläche noch Nahrungsmittel zur Selbstversorgung produzieren. Die Gärten fördern also nicht nur eine gesunde Ernährung mit lokalen und saisonalen Gemüse- und Obstsorten, sondern steigern auch das Bewusstsein für Landwirtschaft und die Herstellung unserer Nahrungsmittel.
Gleichzeitig verbindet die gemeinsame Aktivität des Gärtnerns Menschen aller Altersklassen, sozialer Schichten, Kulturen und Religionen.
Über die gemeinsame Sache wird die Chance gegeben, sich kennenzulernen und voneinander zu lernen.
Grüne Korridore
Grüne Korridore stellen die wichtige Vernetzung der einzelnen Elemente der grünen Infrastruktur sicher. Sie können beispielsweise auch in Rad- oder Fußwege integriert werden.
Grüne Infrastruktur in der Politik
In der Europäischen Union existiert eine Strategie zur Förderung der grünen Infrastruktur im gesamten EU-Gebiet. Somit soll die grüne Infrastruktur in alle Politikbereiche der EU einbezogen werden und umfassenden Beachtung finden. Eng mit der grünen Infrastruktur hängt die Biodiversitätsstrategie ab, die die Ökosysteme und die Ökosystemdienstleistungen fördern und geschädigte Lebensräume wiederherstellen möchte. Auch Richtlinien wie die FFH-Richtlinie oder die Europäische Vogelschutzrichtlinie setzen sich für zusammenhängende Lebensräume über das EU-Gebiet ein und tragen mit den entsprechenden Schutzgebietsausweisungen ihren Teil zur grünen Infrastruktur bei.
Ferner haben viele Länder grüne Infrastruktur als Teil ihrer nationalen Umwelt- und Stadtentwicklungsstrategien aufgenommen.
In diesen Rahmen werden unter anderem Projekte zur Renaturierung von Flüssen, die Schaffung von Stadtparks und die Begrünung von Fassaden und Dächern unterstützt. Viele Städte und Kommunen bieten auch lokale Förderprogramme zur Unterstützung grüner Infrastruktur an. In Deutschland beispielsweise bieten einige Städte finanzielle Anreize für die Begrünung von Dächern oder die Installation von Regenwassernutzungsanlagen.
Herausforderungen bei der Umsetzung grüner Infrastruktur
Trotz ihrer zahlreichen Vorteile und der absoluten Notwendigkeit einer Umsetzung im Zuge des Artenschwundes und des Klimawandels steht die Umsetzung entsprechender Projekte nicht selten vor zahlreichen großen Herausforderungen. Die Planung und Errichtung grüner Infrastruktur erfordern oft hohe Anfangsinvestitionen. Begrünte Dächer, Parks, oder Regenwassermanagementsysteme sind teurer als herkömmliche graue Infrastrukturprojekte. Obwohl grüne Infrastruktur langfristig ökonomische und ökologische Vorteile bietet, stehen Kommunen oft vor der Herausforderung, ausreichende finanzielle Mittel bereitzustellen. Zwar gibt es immer wieder Förderprogramme, jedoch sind diese nicht selten an Faktoren wie beispielsweise einem Realisierungszeitraum geknüpft, welche für Kommunen oft schwer einzuhalten sind. Gleichzeitig helfen die Förderprogramme zwar bei der Errichtung, die laufenden Kosten und die Kosten für Sanierungen tragen die Kommunen aber meist selbst.
Zudem ist in dicht besiedelten urbanen Gebieten ist der Platz begrenzt, und es gibt oft Konkurrenz zwischen verschiedenen Nutzungsarten. Städte kämpfen bereits mit Wohnungsnot und dem Bedarf an Infrastrukturausbau, wodurch die Umsetzung großflächiger Grünprojekte erschwert wird. Die Herausforderung besteht darin, innovative Lösungen zu finden, um auch kleine Flächen effektiv zu begrünen, ohne bestehende Wohn- oder Gewerbeflächen zu gefährden.
Um ihren Mehrwert auf allen Ebenen zu erfüllen und nicht zur wild wuchernden Brachfläche zu werden brauchen die Grünflächen Pflege. Besonders im Sommer ist Bewässerung wichtig, da die Pflanzen sonst vertrocknen. Viele Städte verfügen nicht über die personellen oder finanziellen Ressourcen, um diese Pflege langfristig zu gewährleisten.
Die Integration von grüner Infrastruktur in bestehende Stadtplanungsprozesse ist komplex. Sie erfordert ein Umdenken und die enge Zusammenarbeit zwischen Stadtplanern, Architekten und Umweltexperten. Die Herausforderung liegt darin, grüne Lösungen frühzeitig in die Planung einzubeziehen, anstatt sie als nachträgliche Ergänzung zu betrachten.
Autorin: Carina Pfeil