Weltweit nimmt die Inanspruchnahme natürlicher Flächen durch den Menschen und damit auch die Zerstörung von Lebensräumen immer mehr zu. Dabei geht die Biodiversität in einem erschreckenden Maße zurück. Und trotz der Bedeutsamkeit funktionierender natürlicher Ökosysteme sowohl für eine gesunde Umwelt als auch für das Leben und die Gesundheit des Menschen wird vielerorts noch zu wenig dagegen unternommen.

Was ist Renaturierungsökologie?

Die Renaturierungsökologie beschäftigt sich mit verschiedenen Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme.

Das große Ziel dahinter ist, die natürliche Landschaft wenigstens annähernd wieder so herzustellen, wie sie vor dem menschlichen Eingriff war.

Daher stammt auch der Begriff „Renaturierung“, welcher immer von der Annahme ausgeht, dass jedes Ökosystem mit geeigneten Maßnahmen zumindest annähernd wieder in der Lage ist, sich von den Eingriffen zu erholen und sich in seinen Funktionsweisen neu zu stabilisieren.
Die Renaturierungsökologie ist dabei eine eigenständige Disziplin im Naturschutz und grenzt sich in diesem insofern ab, als dass die Renaturierungsökologie sich auf die Wiederherstellung bereits geschädigter Lebensräume konzentriert, während der Naturschutz an sich hauptsächlich präventiv tätig ist.

Die Renaturierungsökologie umfasst für ihre Zielerreichung verschiedene Bereiche. Dazu gehören:

  • Die Wiederherstellung der Biodiversität
  • Die Wiederherstellung und Verbesserung der ökologischen Funktionen
  • Das Erreichen einer langfristigen Nachhaltigkeit
  • Die Anpassung der renaturierten Systeme an den Klimawandel
Renaturierungsökologie
Die Renaturierungsökologie beschäftigt sich mit verschiedenen Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme – Bild: © Dagmar Richardt #109730764 – stock.adobe.com

Historische Entwicklung der Renaturierungsökologie

Auch wenn die Renaturierungsökologie im heutigen Naturschutz ein besonders junges Fachgebiet ist, welches sich erst im Laufe des 20. und des 21. Jahrhunderts herausgebildet hat, reichen die ersten Überlegungen doch viel weitere zurück. Bereits in der Antike haben sich die Menschen mit der Frage beschäftigt, wie geschädigte Landschaften wiederherzustellen sind. Damals lagen die Bemühungen besonders auf der Wiederaufforstung von Wäldern oder dem Regulieren von Wasserläufen. Meist hatten die damaligen Bemühungen zur Renaturierung aber mehr pragmatische statt ökologische Hintergründe und wurden durchgeführt, weil die Ressourcen der Natur benötigt wurden. In Europa begannen verschiedene Renaturierungsvorhaben gegen Ende der 1980er Jahre und konzentrierten sich insbesondere auf Moore und Fließgewässer, die durch die Begradigung der Flüsse im Zuge der Industrialisierung stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. In den 1990er Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt der Renaturierungsökologie auf die Wälder und den ökologischen Waldumbau.

Seit der Jahrtausendwende hat sich die Renaturierungsökologie weiter diversifiziert und den Fokus von der reinen Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme hin zur Resilienz gegenüber dem Klimawandel und der Integration sozialer Aspekte in Renaturierungsprojekte erweitert. Besonders stark geschädigte Landschaften oder Konversionsflächen des Militärs oder der Bergbauindustrie sind heute aufgrund Teil der meisten Renaturierungsprojekte.

Historische Entwicklung der Renaturierungsökologie
Auch wenn die Renaturierungsökologie im heutigen Naturschutz ein besonders junges Fachgebiet ist, welches sich erst im Laufe des 20. und des 21. Jahrhunderts herausgebildet hat, reichen die ersten Überlegungen doch viel weitere zurück – Bild: © fineart-collection #69279083 – stock.adobe.com

Bedeutung der Renaturierung für die Biodiversität

Für die Wiederherstellung, die Förderung und den Erhalt der Biodiversität spielen Renaturierungen von geschädigten Lebensräumen eine zentrale Rolle.

Durch gezielte Maßnahmen können zerstörte Lebensräume wiederhergestellt und die Vielfalt an Pflanzen-, Tier- und Mikroorganismenarten, die für die Stabilität und Funktionalität dieser Systeme unerlässlich ist, gesichert werden.

Die Bedeutung der Renaturierung für die Biodiversität lässt sich in mehreren Kernpunkten zusammenfassen:

Wiederherstellung von Lebensräumen

Durch die vielfältigen menschlichen Eingriffe in die natürlichen Lebensräume sind diese teilweise hochgradig degradiert oder gar ganz zerstört. Durch Renaturierung werden diese annähernd in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt und können sich als Ökosystem neu aufbauen und stabilisieren. Meist dauert es nicht lange, bis sich wieder eine gewisse Artenvielfalt sowohl im Tier- als auch im Pflanzenbereich entwickelt und der Raum zu einem gesunden neuen Lebensraum geworden ist.

Wiederherstellung von Lebensräumen
Wiederherstellung von Lebensräumen – Bild: © AlexGo #853605470 – stock.adobe.com

Förderung der Artenvielfalt

Renaturierung fördert durch die Wiederherstellung nicht mehr als Lebensraum geeigneten Räumen die Artenvielfalt. Werden neue Lebensräume geschaffen, können sich sowohl Tier- als auch Pflanzenarten (wieder) dort ansiedeln, sich vermehren und eine neue Population aufbauen. Zum Beispiel kann die Wiederherstellung eines Feuchtgebiets die Rückkehr von Amphibien, Vögeln, Insekten und Pflanzenarten fördern, die von solchen Ökosystemen abhängig sind.
Besonders in artenarmen Gebieten sind solche Renaturierungsmaßnahmen wichtig, um die Artenvielfalt langfristig wieder zu sichern und das ökologische Gleichgewicht zu stärken.

Wiederherstellung ökologischer Funktionen

Ökosysteme erbringen eine Vielzahl von Dienstleistungen, von denen im Kern auch das menschliche Leben abhängig ist.

Damit die Natur diese Leistungen aber erbringen kann, muss sie gesund sein und sich in ihrem ökologischen Gleichgewicht befinden.

Beispielsweise gehören zu den sogenannten Ökosystemdienstleistungen die Bereitstellung von sauberem Wasser und frischer Luft, die Bestäubungsleistungen der Bienen oder auch die Kohlenstoffspeicherung. Die Renaturierung trägt dazu bei, diese Funktionen wiederherzustellen und damit die Stabilität und Resilienz der Ökosysteme zu stärken. Dies ist besonders wichtig in Zeiten des Klimawandels, da resiliente Ökosysteme besser in der Lage sind, auf Umweltveränderungen zu reagieren.

Vernetzung von Lebensräumen

Renaturierungsprojekte können auch dazu beitragen, fragmentierte Lebensräume miteinander zu verbinden und so ökologische Korridore zu schaffen. Diese sind besonders für wanderungsintensive Arten (bspw. Luchs oder Wolf) wichtig, um den genetischen Austausch zwischen den Populationen zu stärken und die Populationsgrößen zu sichern. Vernetzte Lebensräume ermöglichen es Arten zudem, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen und neue Lebensräume zu besiedeln.

Vernetzung von Lebensräumen
Renaturierungsprojekte können auch dazu beitragen, fragmentierte Lebensräume miteinander zu verbinden und so ökologische Korridore zu schaffen – Bild: © boysen #204472132 – stock.adobe.com

Renaturierungsmaßnahmen

Renaturierungsmaßnahmen sind besonders vielfältig, da sie sich stets an die spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten des Ökosystems vor Ort anpassen müssen. Ein individuelles Konzept basierend auf einer eingehenden Analyse ist dabei einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein Renaturierungsprojekt. Nur wenn die Maßnahmen auch wirklich zu dem Lebensraum vor Ort passen und zukunftsorientiert gedacht werden, kann ein solches Konzept funktionieren.

Beachtet werden muss immer, dass sich das Klima und die Einflüsse auf ein Raum in den nächsten Zeiten bedingt durch den Klimawandel nochmal signifikant ändern werden.

Daher müssen sämtliche ökologische Konzepte bereits auf die veränderten Klimabedingungen ausgelegt sein, um langfristig funktionieren zu können.
Trotz der Individualität der Renaturierungsmaßnahmen hat der Fachbereich ein Repertoire an Maßnahmen, auf die zurückgegriffen werden kann:

Wiederherstellung natürlicher Gewässerläufe

Viele Flüsse und Bäche wurden in der Vergangenheit begradigt, kanalisiert oder durch Dämme und Wehre verändert, was zu einer Beeinträchtigung der Wasserqualität, der Lebensräume und der biologischen Vielfalt geführt hat. Während der Renaturierung werden vor allem die Flussufer in einen natürlichen Zustand zurückgeführt, die Mäander wiederhergestellt und Hindernisse entfernt, um einen natürlichen Wasserfluss zu schaffen.
Im Zuge dieser Maßnahmen verbessert sich die Wasserqualität signifikant, es siedeln sich Fische und Amphibien an und angrenzende Feuchtgebiete werden ebenfalls revitalisiert.

Wiederherstellung natürlicher Gewässerläufe
Während der Renaturierung werden vor allem die Flussufer in einen natürlichen Zustand zurückgeführt, die Mäander wiederhergestellt und Hindernisse entfernt, um einen natürlichen Wasserfluss zu schaffen – Bild: © HLPhoto #639714218 – stock.adobe.com

Aufforstung

Das Aufforsten von ehemals bewaldeten, aber durch Abholzung oder Brandrodung zerstörten Gebieten ist eine zentrale Maßnahme der Renaturierungsökologie. Dabei werden heimische Baumarten und in naher Zukunft auch klimawandelangepasste Arten gepflanzt, um die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern, Erosionen zu reduzieren, Kohlendioxid zu speichern und Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sowie Mikroorganismen zu schaffen.

Wiederherstellung von Feuchtgebieten

Feuchtgebiete und vor allem Moore als große Kohlendioxidspeicher sind enorm wichtig im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels. Zudem spielen Moore, Sümpfe und Auen, spielen eine wichtige Rolle im Wasserhaushalt und sind Lebensräume für eine Vielzahl von Arten.

Durch intensive Landwirtschaft oder Trockenlegung für Bebauungen sind zahlreiche Feuchtgebiete trotz ihrer wichtigen ökologischen Funktion zerstört worden.

In der Renaturierung wird der natürliche Wasserstand wiederhergestellt, Entwässerungsgräben entfernt und die natürliche Vegetation zurückgebracht. Die Maßnahmen verbessern die Wasserqualität, reduzieren Überschwemmungsrisiken und bieten wichtige Lebensräume für Vögel, Amphibien und Pflanzen.

Bodensanierung

In vielen ehemaligen Industrie- und Bergbaugebieten sind Böden stark kontaminiert und biologisch tot. Bodensanierungen sollen den Boden wieder „sauber“ und lebensfähig für die Ansiedelung von Lebewesen machen. Zur Bodensanierung gibt es verschiedene Maßnahmen. Bei der Extraktion werden die Schadstoffe mittels einer Waschlösung aus dem Boden ausgewaschen. Diese kann sowohl ex-situ als auch on-site stattfinden. Bei der ex-situ Variante wird der kontaminierte Boden ausgehoben und in einer externen Anlage aufbereitet. Auch Bodenaustausch kann hier stattfinden.

Bei der on-site Variante wird der Boden direkt vor Ort mit einer mobilen Anlage aufbereitet. Neben diesen beiden sehr aufwändigen Verfahren gibt es noch das sogenannte In-Situ Verfahren. Dabei werden spezielle Pflanzen oder Mikroorganismen eingesetzt, die über eine längere Zeit die Schadstoffe aus dem Boden aufnehmen. Diese Methode ist am schonendsten und nachhaltigsten für den Boden, dauert aber natürlich wesentlich länger und der Erfolg kann während des Verfahrens nur schwer kontrolliert werden.

Bodensanierung
In vielen ehemaligen Industrie- und Bergbaugebieten sind Böden stark kontaminiert und biologisch tot – Bild: © Silent Corners #295519762 – stock.adobe.com

Renaturierung in urbanen Gebiete

Auch in städtischen Gebieten gibt es Potenzial für Renaturierungsmaßnahmen, wie die Umwandlung von brachliegenden Industrieflächen in grüne Freiräume oder die Schaffung von Dach- und Fassadengrün.

Diese Maßnahmen tragen nicht nur zur Erhöhung der Biodiversität in Städten bei, sondern verbessern auch das Mikroklima, reduzieren die Luftverschmutzung und bieten den Stadtbewohnern Erholungsmöglichkeiten.

Förderung der natürlichen Sukzession

Manchmal ist es sinnvoll, die natürliche Sukzession, also die schrittweise Entwicklung eines Ökosystems, zu fördern, indem menschliche Eingriffe minimiert werden. Dies bedeutet, ein Gebiet sich selbst zu überlassen, damit sich Pflanzen- und Tiergemeinschaften auf natürliche Weise entwickeln können. Diese Methode ist besonders in abgelegenen oder schwer zugänglichen Gebieten von Vorteil und kann langfristig zu stabilen, naturnahen Ökosystemen führen.


Autorin: Carina Pfeil