Urban Gardening
Der Trend ist in aller Munde und mittlerweile in vielen Städten weltweit vermehrt zu finden. Ein bisschen unter dem Motto „back to the roots“ beschreibt Urban Gardening das, was noch für unsere Großeltern selbstverständlich war – die eigene Produktion von Gemüse. Da im städtischen Raum nur die wenigsten über einen eigenen Garten verfügen, setzt Urban Gardening auf gemeinschaftlich genutzte Flächen für den Anbau der Pflanzen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist urban Gardening?
Urban Gardening bezeichnet den (meist gemeinschaftlichen) Anbau von essbaren Pflanzen in urbanen Räumen. Das Ziel liegt hier tatsächlich nicht unbedingt primär auf der lokalen Lebensmittelproduktion, sondern vielmehr auf der Schaffung von grünen, klimaaktiven Flächen und Auseinandersetzungsmöglichkeiten für die Stadtbewohner mit der Natur, mit Pflanzen und mit der Frage, woher unsere Lebensmittel eigentlich stammen. Entstehen sollen gemeinschaftlich genutzte Flächen, die die Menschen motivieren, die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen und sich proaktiv für die Pflege der Pflanzen einzusetzen.
Vermittelt werden sollen dabei auch neue Lebensstile sowie ein Bewusstsein für gesunde Ernährung mit biologisch angebauten Lebensmitteln.
In den Städten ist der schnelllebige Zeitgeist, die Reize, welchen die Menschen dauerhaft ausgesetzt sind, sowie die Belastung mit Lärm, schlechter Luft und Umweltgiften deutlich stärker als in den ländlich geprägten Räumen. Umso wichtiger ist die Schaffung grüner Rückzugsorte, sowohl für die Menschen als auch für das Klima. Können diese dann noch mit der Möglichkeit der Lebensmittelproduktion – wenn auch nur im kleinen Stil – aufgewertet werden, schlagen sich quasi zwei Fliegen mit einer Klappe.
Die Geschichte und Entwicklung des städtischen Gärtnerns
Urban Gardening ist bei Weitem kein neuer Trend. Möchte man ganz tief in die Geschichte zurückgehen, fanden sich bereits in den Städten der Antike in Form der Hängenden Gärten in Babylon eine Art des urbanen Gärtnerns. Auch in den Hochkulturen des antiken Roms oder in Ägypten wurden auf Terrassen und in Höfen verschiedene Nutzpflanzen kultiviert. In den antiken Städten galten die Gärten natürlich nicht der Aufwertung des Raumes oder der Schaffung von Freiflächen, sondern waren zur Selbstversorgung der Bewohner mit Nahrungsmitteln nötig.
Die moderne Form des Urban Gardening entwickelte sich im 19. und 20. Jahrhundert, als die Städte im Zuge der Industrialisierung rasant zu wachsen begannen und sowohl der Lebensmittelbedarf als auch der Wunsch nach Grün- und Freiflächen stieg. Während der Weltkriege erlebten die urbanen Gärten einen zusätzlichen Aufschwung. So wurden in Großbritannien und den USA beispielsweise die sogenannten „Victory Gardens“ (Sieg-Gärten) angelegt, um die Lebensmittelproduktion zu unterstützen und Engpässe während der Kriegszeit zu überbrücken.
In den 1970er Jahren erlebte Urban Gardening eine Renaissance, als ökologische und soziale Bewegungen wuchsen.
In New York beispielsweise wurden Gemeinschaftsgärten (Community Gardens) auf brachliegenden Grundstücken errichtet. Diese dienten nicht nur der Nahrungsmittelproduktion, sondern auch als Treffpunkte für Gemeinschaften und als Mittel zur Revitalisierung vernachlässigter Stadtteile.
Heute bestehen die städtischen Gärten besonders aus der Motivation heraus, öffentliche urbane Räume lebenswerter und erlebbarer zu machen. Besonders auch im Zuge der Migration und den Konflikten, die daraus in der Bevölkerung entstehen, fungieren urbane Gärten als Orte, an denen sich vorurteilsfrei über die gemeinsamen Sachen kennengelernt und voneinander gelernt werden kann.
Formen des Urban Gardening
Urban Gardening kann in vielen verschiedenen Formen auftreten. Durch die sehr begrenzte Flächenverfügbarkeit in der Stadt, den vielfältigen Belastungen, nach denen der Standort geplant werden muss (bspw. fallen Flächen an stark befahrenen Straßen oder belastete Böden raus) und der generellen Nutzungskonkurrenz um freie Flächen, sind oftmals innovative und kreative Ideen zum Gemüseanbau gefragt.
Ist genügend Fläche mit geeigneten Standortbedingungen vorhanden, kann ein gemeinschaftlich genutzter, großer urbaner Garten auf einer Freifläche angelegt werden. Hier können je nach Boden und Klima verschiedenste Gemüsesorten sowie Obstbäume, Beeren und Kräuter kultiviert werden. Wie in einem klassischen Garten auch, wachsen die unterschiedlichen Sorten und Arten hier in Mischkultur und einer strategischen Fruchtfolge zusammen.
Sind die Voraussetzungen für einen Garten mit klassischen Beeten nicht gegeben, beispielsweise aufgrund des Bodens, kann mit Hochbeeten gearbeitet werden. Diese haben den Vorteil, dass sie weniger Platz in Anspruch nehmen, mit frei wählbarem und an die Pflanzen angepasstem Substrat befüllt werden können und die Pflanzen etwas besser vor Zerstörung, beispielsweise durch Hundeurin oder versehentlichem Drauftreten geschützt sind. Hochbeete sind zudem je nach Typ flexibler und können bei Bedarf auch mal umgestellt werden.
Eine weitere Möglichkeit mit viel Potenzial für das Urban Gardening stellen die Dachflächen dar.
Dass begrünte Dachflächen einen großen positiven Wert für das lokale Mikroklima und die Verbesserung der Luftqualität haben, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Die Dächer statt mit Gräsern oder Stauden mit Gemüse und Kräutern zu bepflanzen und sie damit essbar zu machen, schafft gleich Mehrwert im doppelten Sinne. Die ansonsten zahlreichen brachliegenden Flächen von Wohnhäusern, Bürogebäuden und öffentlichen Gebäuden bieten in Form von Dachgärten eine Möglichkeit zur Entspannung und Erholung gepaart mit dem Ernten nachhaltig produzierter Lebensmittel für die Stadtbewohner. Gleichzeitig besteht auf den Dächern kein Nutzungskonflikt mit anderen potenziellen Nutzungen, wie es beispielsweise bei einer innerstädtischen Grünfläche der Fall ist. Trotzdem erfordert ein Dachgarten einige Überlegungen hinsichtlich der Tragfähigkeit des Daches, der Installation wasserdichter Schichten und der Auswahl geeigneter Pflanzen, die viel direkte Sonneneinstrahlung vertragen und unempfindlich gegenüber Wind sind. Zudem muss das Dach sicher begehbar sein.
Noch recht selten anzutreffen sind die urbanen Gärten in Form des „Vertical Farming.“ Diese Art der Begrünung nutzt die vertikale Fläche von Wänden und Fassaden, um Pflanzen anzubauen. Dabei bietet Fassadenbegrünung zahlreiche ökologische und städtebauliche Vorteile. Sie trägt zur Verbesserung der Luftqualität bei, indem sie Kohlendioxid aufnimmt und Feinstaub filtert. Darüber hinaus wirkt eine begrünte Fassade wie eine natürliche Dämmung, die Gebäude im Sommer kühlt und im Winter wärmt, wodurch der Energieverbrauch reduziert wird. Eine Fassadenbegrünung mit Gemüse- und Kräuterpflanzen findet sich zwar weltweit in vereinzelten Projekten, ist aber teilweise noch schwer umsetzbar, da schon alleine die Erreichbarkeit der Pflanze zur Pflege und Ernte schwierig ist. Zudem müssen die Pflanzen mit wenig Bodenmaterial auskommen, dürfen also keine großartigen Wurzeln ausbilden und besonders witterungsbeständig sein. In Betracht kommen hier an essbaren Pflanzen also vermehrt pflegeleichte Kräuter.
Nicht selten betreiben Stadtbewohner auch im privaten Stil auf dem eigenen Balkon einen kleinen Gemüsegarten. Wer sich an das Thema „Balkongarten“ erst einmal gewagt hat, ist meist überrascht, wie viel Ertrag eine solch kleine Fläche doch produzieren kann.
Zusammenfassend zu den verschiedenen Formen kann gesagt werden, dass jede einzelne ihre Vor- und Nachteile mit sich bringt und es ganz individuell auf den Stadtraum an sich ankommt, was gut realisierbar ist und was nicht. In den meisten Fällen liegt die ideale Lösung in einer Mischung der möglichen Formen und besonders darin, mit irgendetwas anzufangen.
Pflanzenauswahl: Was wächst gut in der Stadt?
Beim Urban Gardening in der Stadt ist die richtige Pflanzenauswahl entscheidend für den Erfolg. Bedacht werden muss immer, dass die Stadt ihr ganz eigenes Ökosystem mit vielen Modifikationen gegenüber einer normalen Umwelt für Pflanzen darstellt. Die Begrenzung des Raums – sei es auf Balkonen, in Hochbeeten oder in Gemeinschaftsgärten – erfordert Pflanzen, die auf kleinem Raum gedeihen. Auch das veränderte Klima, die Luftschadstoffe oder eventuell auch Verschattungen durch bereits bestehende Bäume, beispielsweise in Stadtparks, sind Herausforderungen, mit denen die Pflanzen zurechtkommen müssen. Bedacht werden muss zudem der Klimawandel und die sich dadurch veränderten Bedingungen im Ökosystem.
Besonders gut geeignet für den Anbau in der Stadt sind kleinwüchsige Tomatensorten, die einen sonnigen Standort bevorzugen und auch mit Wind zurechtkommen.
Auch Paprika und Chilischoten kommen gut mit wenig Platz zurecht. Salate, Radieschen, Rote Beete und kleinere Kohlsorten (z.B. Kohlrabi) lassen sich ebenfalls gut in Gefäßen oder kleinen Hochbeeten kultivieren. Ist etwas mehr Platz vorhanden, sind Zucchini sehr zu empfehlen. Diese beanspruchen zwar mehr Platz, sind aber äußerst pflegeleicht, wachsen schnell und bringen eine reiche Ernte hervor. Zudem sind alle Arten von Kräutern gut für den städtischen Anbau geeignet.
Wichtig bei der Auswahl der Pflanzen ist, darauf zu achten, dass sie anspruchslos an ihren Standort und auch bezüglich ihrer Pflege sind, denn in Stadtgärten kann es durchaus passieren, dass die Pflanzen auch mal mit einigen Tagen Trockenheit zurechtkommen müssen. Da die Pflanzen meist recht eng beieinander wachsen, ist die Wahl guter Beetnachbarn wichtig, damit für alle ausreichend Nährstoffe vorhanden sind und sich Krankheiten nicht ausbreiten.
Organisation des Urban Gardening
Je nach Fläche gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Arbeit mit den Pflanzen organisiert sein kann. Zurzeit findet sich in den Städten größtenteils eine Form des privat genutzten Gemeinschaftsgartens, dessen Bestehen auf der Initiative und unter der Leitung privater Organisationen, Gemeinschaften oder Aktivisten beruht. Zum Gelingen sind hier viel Eigeninitiative und Verantwortung gefragt. Oft gehören die Gärten und die Gärtner auch einem Verein an und ernten darf nur, wer Mitglied im Verein ist und bei der Pflege und der Arbeit rund um die Pflanzen mithilft.
Einige Städte probieren auch, das Urban Gardening mit der öffentlichen Hand umzusetzen. Die Fläche gehört dann der jeweiligen Stadt und die Pflege übernehmen entsprechende Mitarbeiter von der Stadt selbst oder einer beauftragten externen Firma. Ernten darf jeder. Je nach Konzept können die Bürger mitarbeiten oder die komplette Pflege wird seitens der Stadt getragen. Urbane Gärten auf Dachflächen, an Fassaden oder auf Balkonen sind meist privat und gehören den Eigentümern und ggf. Mietern des jeweiligen Gebäudes. Diese kümmern sich vollumfänglich um die Pflanzen und ernten diese auch.
Das Schöne am urbanen Gärtnern ist aber, dass den Möglichkeiten hier keine Grenzen gesetzt sind und sich jede Stadt ganz alleine überlegen kann, welches Konzept für sie das Passende ist.
Autorin: Carina Pfeil