Lebensversicherung auf dem Prüfstand: Wann ist ein Widerruf sinnvoll?
Zu niedrige Zinserträge, hohe Preise infolge der Inflation und drohende Negativzinsen versetzen viele Sparer in Sorge.
Wer in eigene Policen investiertes Geld zu einem anderen Zweck einsetzen möchte, kann die eigene Lebensversicherung widerrufen.
Inhaltsverzeichnis
Widerruf als Alternative zur Kündigung
Heute können Versicherungsnehmer unter bestimmten Umständen all die Lebensversicherungen widerrufen, die sie zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen haben. Auf dieses Recht können Versicherungsnehmer bestehen, da viele Verbraucher für Policen dieses Zeitraums nicht genügend über rechtliche Ansprüche oder Rücktrittsoptionen vom Vertrag informiert wurden. Dadurch ist der Versicherungsvertrag nicht gültig.
Für viele Versicherungsnehmer ist ein Widerruf sogar die bessere Lösung, da eine Kündigung des Vertrags zumeist mit finanziellen Verlusten einhergeht.
Im Falle eines Widerrufs werden alle eingezahlten Beträge ausgezahlt, einschließlich erwirtschafteter Zinsen sowie einer etwaig bestehenden Nutzungsausfallentschädigung.
Wie funktioniert ein Widerruf der Lebensversicherung?
Wer eine Lebensversicherung widerrufen möchte, trifft in vielen Fällen eine gute Entscheidung. Bei vielen Versicherungsgesellschaften zahlen Versicherungsnehmer zwar regelmäßig ihre Prämie ein. Doch insbesondere in der Anfangszeit verbuchen Lebensversicherer die Summen nicht zugunsten der Versicherungsnehmer.
Zu Beginn decken viele Versicherungsunternehmen zuerst ihre eigenen Ausgaben, die auf die komplette Jahresanzahl der Geldanlage hochgerechnet werden. Für diesen Service summieren sich zumeist mehrere tausend Euro. Das bedeutet, dass Versicherungsnehmer für lange Zeit im Minus stehen. Es bedarf einiger Zeit, bis sich für die Versicherungsnehmer ein finanzielles Guthaben ansammelt.
Deshalb entscheiden sich immer mehr Versicherte dafür, sich von ihrer Lebensversicherung zu trennen.
Zusätzliche Verluste vermeiden
Auf eine Kündigung der Police sollten Versicherungsnehmer hingegen verzichten, da in dem Fall zusätzliche Verluste drohen.
In dieser Situation würden die Versicherungsgesellschaften nur eingezahlte Prämien abzüglich der eigenen Kosten auszahlen.
Deshalb wäre die ausgezahlte Summe wesentlich geringer als der eingezahlte Betrag. Stattdessen ist ein Widerruf die bessere Lösung.
Finanzielle Probleme von Versicherungsgesellschaften
Aufgrund der dauerhaft anhaltenden Niedrigzinsphase haben sich viele Versicherungsgesellschaften verkalkuliert. Während einige Unternehmen unter Aufsicht der Bafin stehen, mussten andere Versicherer bereits komplett Insolvenz anmelden. Möchten Versicherte keine finanziellen Nachteile infolge einer drohenden Pleite von Versicherungsunternehmen erleiden, gehen sie mit einem Widerruf der Police auf Nummer sicher.
Für einen wirkungsvollen Widerruf der Lebensversicherung ist es sinnvoll, sich an Dienstleister zu wenden, die mit dem Thema vertraut sind. Zahlreiche Rechtsanwälte nehmen den Widerruf nach einer vorherigen Prüfung vor. Über eine Rechtsschutzversicherung abgesicherte Personen sollten einen Rechtsanwalt beauftragen, der über die Police abgedeckt ist.
Berechtigte Skepsis bei kostenlosen Prüfangeboten
Bei kostenfreien Prüfangeboten ist Skepsis angebracht. Die meisten Offerten dieser Anbieter sind überhaupt nicht kostenfrei, sondern berechnen letztendlich zwischen 15 und 25 Prozent des ausgezahlten Betrags. Dennoch ist eine Kontaktaufnahme zu einem Profi sinnvoll, da Anwälte aus den Vertragsunterlagen zumeist Widerrufsgründe entdecken, die für Laien nur schwer ersichtlich sind.
Den Widerruf nehmen die Dienstleister ebenfalls vor. Außerdem stehen im Internet Musterformulare zur Verfügung.
Wie lange ist ein Widerruf der Lebensversicherung möglich?
Gemäß § 152 VVG haben Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss ein Widerrufsrecht von 30 Tagen. Sind auf den Versicherungsvertrag bezogene Informationen jedoch fehlerhaft oder unvollständig, setzt die Widerrufsfrist gar nicht erst ein. In dem Fall könnten Verträge für einen wesentlich längeren Zeitraum oder gar unbegrenzt widerrufen werden.
Mittlerweile gibt es mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs – beispielsweise vom Mai 2014 mit dem Aktenzeichen IV ZR 76/11 – , von denen Verbraucher verstärkt profitieren. Demzufolge dürfen zwischen dem 29. April 1994 und Dezember 2007 abgeschlossene Verträge generell widerrufen werden. Demzufolge ist eine Rückabwicklung der Lebensversicherung möglich.
Keine Garantie auf einen Widerruf
Dennoch besteht kein generelles Recht darauf, eigene Ansprüche durchzusetzen und die Lebensversicherung stets uneingeschränkt zu widerrufen. Beispielsweise entschied der Bundesgerichtshof im Februar 2021 unter dem Aktenzeichen IV ZR 32/20, dass Widersprüche unter Umständen auch rechtsmissbräuchlich sind. Dies ist möglich, falls der Widerruf auf einem Formfehler basiert, der jedoch nicht nachteilig für die Versicherten ist. Inzwischen orientieren sich zahlreiche Landgerichte an dem BGH-Urteil.
Die Gerichte vertreten den Standpunkt, dass aufgrund des langen Zeitraums eine Verwirkung der Rechte besteht.
Dennoch kommt es immer wieder zu Einzelfallentscheidungen. Eine Überprüfung jedes einzelnen Falls ist deshalb eine Grundbedingung für die Frage, ob ein Widerruf der Lebensversicherung möglich ist oder nicht. Zudem steht die Frage im Raum, inwiefern ein Einwand aufgrund Rechtsmissbrauchs oder eine Verwirkung überhaupt rechtlich gerechtfertigt ist. Einige Juristen betrachten den Standpunkt als Verstoß gegen geltendes europäisches Recht.
Welche Verträge sind widerrufbar?
Ein generelles Rücktrittsrecht besteht für Verträge, bei deren Abschluss die Versicherten nicht umfassend belehrt wurden. Dieser Fall tritt bereits dann ein, falls die Widerrufsbelehrung optisch nur unzureichend gekennzeichnet wurde. Ein Anspruch auf Rücktritt besteht beispielsweise bei ungenügender Schrägstellung, Fettung oder Vergrößerung der Widerrufsbelehrung.
Ein Rücktritt vom Renten- oder Lebensversicherungsvertrag führt automatisch zur Beendigung der Leistung durch die Versicherung. Weil das versicherte Risiko nach Widerruf nicht mehr abgesichert ist, ist bei Bedarf der Abschluss einer neuen Police sinnvoll.
Widerruf der Lebensversicherung: Diese Beträge winken
Beí einem Widerruf erfolgt eine Rückzahlung von eingezahlten Beträgen, bereits erwirtschafteten Zinsen sowie dem sogenannten Nutzungsersatz. Für einen Erhalt des Nutzungsersatzes müssen Betroffene jedoch nachweisen, dass das Versicherungsunternehmen im Laufe der Vertragsdauer einen finanziellen Nutzen aus dem Kapital geschlagen hat. Aus dem Grund fordern viele Dienstleister einen Nutzungsersatz gar nicht erst ein.
Zahlreiche Versicherer agieren hingegen kulant, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu umgehen. Verhandlungen würden automatisch zu negativer Presse führen, welche die Versicherungsunternehmen natürlich vermeiden möchten. Erfahrungsgemäß erhalten Versicherungsnehmer mindestens das Doppelte des Geldbetrags, den Versicherte bei einem Verkauf der Police erhalten hätten.